Mexiko-Projekt CACTUS
Rundbrief
Weihnachten
1999
Spendenkonto: Nr. 0100 466 181
Sparda-Bank Köln, BLZ 370 605 90
Rosemarie
Griebel-Kruip
Gerhard
Kruip
Gartenstraße
17
D-51519
Odenthal
Tel.
u. Fax: 02174-40513
e-mail: Gerhard.Kruip@t-online.de
Weihnachten 1999
Liebe
Unterstützer/innen unseres Mexiko-Projektes, liebe Freunde/innen, Bekannte und
Verwandte!
Dieses Mal sind wir so spät dran, dass die Post
schon sehr schnell sein muss, damit Sie/euch dieser Rundbrief noch vor
Weihnachten erreicht. An unseren mexikanischen Freunden lag es nicht. Deren
Päckchen kam Anfang Dezember und enthielt so viele interessante Informationen,
dass wir es noch gar nicht geschafft haben, sie alle zu lesen. Es lag vor allem
an unserer derzeitigen beruflichen Belastung. Wie einige von euch/Ihnen
sicherlich schon erfahren haben, steht wieder einmal ein Stellenwechsel und
voraussichtlich zum Sommer 2000 auch ein Umzug an. Und unser größter
Wunsch für das Jahr 2000 ist, dass wir
diesen Wechsel gut hinbekommen.
Mit diesem Rundbrief wollen wir die wichtigsten
Neuigkeiten aus der Arbeit von CACTUS weitergeben und uns vor allem auch im Namen von Luz Elena Moctezuma und Antonio
González ganz herzlich bei euch/Ihnen für die Spenden bedanken, die auch 1999 wieder in großer Zahl und
gleichbleibender Höhe eingegangen sind und es uns ermöglichen, unser
"Mexiko-Projekt" kontinuierlich zu fördern.
Wie in jedem Jahr, werden wir die Spendenquittungen
für alle Spenden des Jahres 1999 im Februar des Folgejahres versenden und
bitten deshalb noch um etwas Geduld.
Das Jahr 2000 wird für Mexiko ein besonders
spannendes Jahr. Es werden Präsidentschaftswahlen stattfinden. Zum ersten Mal
scheinen die notwendigen institutionellen Voraussetzungen dafür geschaffen
worden zu sein, dass die Wahlen wirklich als demokratische Wahlen durchgeführt
werden können, obwohl natürlich die
herrschende Staatspartei PRI immer noch
über besondere Finanzquellen und Medienmacht verfügt. Mexiko bräuchte dringend
eine Reform seines politischen Systems, sonst wird es auch seine anhaltenden
wirtschaftlichen Probleme nicht in den Griff bekommen. Erfahrungsgemäß sind die
Jahre der Präsidentschaftswahlen mit ihrer wachsenden Instabilität immer auch
Zeiten besonderer politischer Risiken.
Bei den letzten Wahlen 1994 ist ja der erste Präsidentschaftskandidat der PRI
ermordet worden. Wir hoffen für Mexiko, dass die Wahlen dieses Mal ohne Gewalt
und auch ohne anschließende Wirtschaftskrise ablaufen können.
Euch/Ihnen allen wünschen wir ein Frohes
Weihnachtsfest und einen guten Start in's Jahr 2000"
Mit herzlichem Gruß!
Rosemarie Griebel-Kruip, Gerhard Kruip
P.S. An diejenigen, von denen wir ein e-mail haben,
versenden wir unsere Broschüre auf
elektronischem Weg. Wenn dies sonst noch jemand wünscht, bitten wir um
Mitteilung Ihres/eures e-mails. Wer umgekehrt lieber die Broschüre bekommt als
das e-mail, möge es uns bitte auch mitteilen.
Das Foto auf der Titelseite zeigt Kinder, die zu Fuß
oder mit dem "bicitaxi" (Fahrradtaxi) vom Kindergarten Niláhui
abgeholt werden.
Die Arbeit von
CACTUS 1999
Zu Beginn ihres diesjährigen Berichts stellen Luz
Elena und Antonio fest, dass sie zwar immer wieder Negatives von der
Gesamtsituation Mexikos zu berichten haben, dass das Projekt CACTUS in seiner
Arbeit sich aber sehr positiv entwickelt. Vier wesentliche Kennzeichen dieser
Arbeit heben sie heraus:
a) Methodisches Arbeiten: Als Frucht der
Erfahrungen, die CACTUS in Mexiko-Stadt in den achtziger Jahren hatte sammeln
können, war die Arbeit in Oaxaca von Anfang an durch ein methodisches und
überlegtes Vorgehen gekennzeichnet. Es lässt sich in drei Punkten
zusammenfassen: Gleichzeitige Aktivitäten in den Bereichen des Ökonomischen,
des Politischen und des Kulturellen, Ausgehen von der Wirklichkeit,
Zielfestlegung und planvolle Umsetzung (Sehen-Urteilen-Handeln) mit Auswertung
der Ergebnisse und Anwendung der paritzipativen Methode einer armenorientierten
Bildungsarbeit.
b) Autonomie: Gesucht wird nicht nach dem Aufbau
großer, schwerfälliger Organisationen. So wie CACTUS selbst klein und
unabhängig geblieben ist, werden auch die verschiedenen von CACTUS angeregten
und unterstützten Initiativen angehalten, kleine und autonome Zellen zu bilden,
die sich vermehren und so die Initiativen weitertragen.
c) Effektivität und Effizienz: CACTUS konnte viele
der selbst gesteckten Ziele erreichen - und dies mit relativ wenig materiellen
und personellen Ressourcen - wobei, das wird extra betont, die kontinuierliche
Unterstützung aus Deutschland einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.
d) Wachsende Bedeutung: Die auf den ersten Blick
relativ unscheinbaren, aber kontinuierlichen Aktivitäten "von unten
nach oben" haben weitreichende
positive Wirkungen: Der Kindergarten und das soziale Zentrum in Barrio Norte,
Mexiko-.Stadt, arbeiten weiter. In Oaxaca hat sich die Genossenschaftssparkasse
konsolidiert, die von CACTUS angeregte
Selbsthilfeorganisation der Bewohner stellt inzwischen den Bürgermeister, die
katechetische Arbeit wird diözesanweit anerkannt - und kürzlich ist Antonio
sogar in den Wahlausschuss des Staates Oaxaca für die Präsidentschaftswahlen
gewählt worden. Er wird damit erheblich
zum Demokratisierungsprozess in Mexiko beitragen können.
Der Bericht im Einzelnen:
1. Genossenschaftssparkasse in Ocotlán
Um den Menschen in Ocotlán einerseits die
Möglichkeit zu geben, über Kleinkredite ein eigenes Gewerbe aufzubauen,
andererseits ihre Ersparnisse sinnvoll und zu gemeinsamem Nutzen anzulegen,
wurde 1992 eine "Caja popular" gegründet, eine kleine
Genossenschaftsbank, die inzwischen sehr weit vorangekommen ist: Derzeit gibt
es 1400 Mitglieder, mehr als erwartet.
Die Einlagen ergeben eine Summe von 11 Millionen Pesos (ca. 220.000 DM), von
denen 6 Millionen in Form von 600 Kleinkrediten zu günstigen Zinsen an die
Mitglieder verliehen wurden, die ihre Kredite mit hoher Disziplin pünktlich
zurückzahlen. Mit den Zinseinnahmen konnten am Hauptplatz von Ocotlán für 1,4
Millionen Pesos sogar große und zweckmäßige Büroräume errichtet werden. Diese
Räume werden auch zu anderen Zwecken genutzt: für Bildungsveranstaltungen,
Versammlungen etc. Vielleicht können aus den Einnahmen der
Genossenschaftssparkasse eines Tages auch Teile der Gehälter der Erzieherinnen
des Kindergartens finanziert werden.
2. Dreizehn Arbeitsplätze
Im Zusammenhang mit den Projektaktivitäten von
CACTUS gibt es derzeit 13 Arbeitsplätze: Die Genossenschaftssparkasse
beschäftigt 6 Personen und der 1998 eröffnete Kindergarten Niláhui 3
Erzieherinnen. Und im Kindergarten von Barrio Norte in Mexiko-Stadt sind auch 4
Erzieherinnen beschäftigt.
Im Moment denken Luz Elena und Antonio daran, am anderen Ende des Ortes einen zweiten
Kindergarten mit weiteren Arbeitsplätzen zu eröffnen. Die Bedingungen dafür
sind günstig. Die von CACTUS mitbegründete Initiative "Duu Kubi" hat
ein Grundstück von 1000m2
erworben, wo ein Kindergarten errichtet werden könnte. Durch den Aufbau des
ersten Kindergartens gibt es bereits geschulte Erzieherinnen, die weitere
Frauen für diese Aufgabe anlernen könnten. Vielleicht gelingt es, mit ersten
Kindergruppen bereits im September 2000 zu starten.
3. Zapatistische Anhörungen ("Consulta Zapatista")
Zusammen mit vielen Initiativen der mexikanischen
Zivilgesellschaft haben die Zapatisten im März "Anhörungen"
veranstaltet: Insgesamt 10.000 zapatistische Indígenas ("Eingeborene")
zogen durch das ganze Land, sprachen zu den Menschen über ihren Aufstand in
Chiapas und hörten deren Meinungen und Sorgen. CACTUS hat an diesem Prozess
politischer Bildungsarbeit und politischer Mobilisierung aktiv teilgenommen. 16
Indígenas wurden von CACTUS betreut, in Ocotlán wurden Veranstaltungen mit
ihnen durchgeführt. Mehrere tausend Unterschriften zugunsten der Rechte
indigener Völker wurden dabei gesammelt. Die Erfahrung war sehr bereichernd.
Die Menschen in Ocotlán wurden mit den Sorgen und Nöten der indigenen Gruppen
in Chiapas vertraut, schauten über ihren eigenen Tellerrand und lernten in der
direkten Begegnung mit ihnen die vorherrschende antizapatistische Berichterstattung
in den Medien in Frage zu stellen.
4. Bürgermeisteramt in Ocotlán
Wie das letzte Mal bereits berichtet, ist es Alberto
Aguilar, einem Mitglied der von CACTUS initiierten Organisation Duu Kubi
gelungen, 1998 in demokratischen Wahlen das Amt des Bürgermeisters von Ocotlán
zu erringen. Die Ergebnisse dieses Wechsels sind sehr positiv: Antonio und Luz
Elena führen an: ehrlicher und transparenter Umgang mit den Haushaltsmitteln
der Gemeinde, Gründung einer gemeindeeigenen Zeitschrift ("Semilla
Nueva"), Baubeginn für eine Markthalle als Zentrum der ökonomischen
Aktivitäten und ernsthafte Bestrebungen, das Abwasserproblem zu lösen.
5. Wahlausschuss des Bundesstaates Oaxaca
Luz Elena und Antonio haben in ihren Berichten immer
wieder betont, dass das Hauptproblem der Entwicklung Mexikos ein politisches sei.
Denn eigentlich ist das Land reich. "Wir haben Land, wir sind ein Volk,
was uns fehlt, ist eine gute Regierung." Wenn es eine wirkliche Demokratie
gäbe, so ihre Einschätzung, könnten auch die ökonomischen Probleme leichter
gelöst werden. Deshalb kommt dem Demokratisierungsprozess eine große Bedeutung
zu. Eine wichtige Chance zu weiterer Demokratisierung liegt in den kommenden
Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000. Da CACTUS durch seine Aktivitäten im
Bundesstaat Oaxaca großes Ansehen erworben hat, ist Antonio von mehreren
Organisationen der Zivilgesellschaft als Mitglied des Wahlausschusses
vorgeschlagen und schließlich auch gewählt worden. Als einer von 6 Mitgliedern
des Wahlausschusses wird er für die Organisation und Überwachung der
Präsidentschaftswahlen in Oaxaca mitverantwortlich sein.
6. Niláhui
Nach der sehr positiven Erfahrung mit dem
Kindergarten Temoatzin in Mexiko-Stadt verfolgen Luz Elena und Antonio von
Anfang an auch in Oaxaca das Ziel, einen Kindergarten mit Vorschule aufzubauen.
Im Januar 1999 konnte dann der Kindergarten Niláhui in die neuen Gebäude am
Ortsrand von Ocotlán umziehen. 48 Kinder nehmen regelmäßig am Unterricht teil.
Drei Mütter, die zu Erzieherinnen ausgebildet worden sind, leiten drei nach
Alter (drei-, vier- und fünfjährige) gegliederte Gruppen. Gemeinsam werden mit
einer partizipativen Methode bestimte Themen behandelt, z.B.: Warum haben wir
Knochen? Wie entsteht ein Erdbeben? Wie wird Schokolade gemacht? Manchmal
werden bestimmte Themen mit Exkursionen oder Besuchen außerhalb des
Kindergartens verbunden. Immer wird versucht, von der Lebenssituation der
Kinder auszugehen und ihr Interesse zu wecken.
Die drei Erzieherinnen führen alle 2 Wochen einen
Elternabend durch, bei denen über Fragen der Erziehung, der Gesundheit, des
Familienlebens, aber auch politische Fragen von allgemeinem Interesse
besprochen werden. Luz Elena begleitet die Erzieherinnen durch regelmäßige
Planungs- und Auswertungsbesprechungen einmal pro Woche.
Es zeigt sich, dass die Kinder, die vom Kindergarten
Niláhui in die Schule wechseln, sehr viel besser vorbereitet sind und höhere
Leistungen erbringen. Viele Eltern, deren Kinder den Kindergarten besucht
hatten, sind dazu angeregt worden, sich in verschiedenen lokalen Initiativen
ehrenamtlich zu engagieren, der Genossenschaftsbank beizutreten oder an der
pastoralen und katechetischen Arbeit der Kirche teilzunehmen. Offenbar haben
sie entdeckt, dass solche Zusammenarbeit im Dienst an der Gemeinschaft
auch persönlich sehr bereichernd sein
kann.
7. Evangelisierung und Katechese
Seit Jahren führt Antonio in Ocotlán in der dortigen
Gemeinde eine "befreiende" katechetische Arbeit durch, die erheblich
dazu beigetragen hat, dass sich so viele Menschen in den verschiedenen
Initiativen engagiert haben. Seit zwei Jahren ist CACTUS auch auf Diözesanebene
für die verschiedenen Initiativen zur Vorbereitung auf das Jobeljahr 2000
tätig. 1997 war das Jahr von Jesus Christus, 1998 das des Heiligen Geistes und
1999 ist das Jahr von Gott-Vater. Antonio hat jeweils entsprechende
katechetische Bücher dazu verfasst, zuletzt über Gott-Vater. Diese Bücher
werden in 25 Pfarreien der Diözese für die katechetische Arbeit benutzt, unter
Beteiligung von insgesamt ca. 3000 Menschen. Die Erfahrung war so
vielversprechend, dass der Bischof von Oaxaca, Héctor González, Antonio gebeten
hat, einen Erwachsenenkatechismus für Oaxaca zu verfassen, der ab 2000 in der
Diözese eingesetzt werden soll.
8. Arbeit mit Hispanics in den USA
Wie schon 1998 sind Luz Elena und Antonio im Sommer
1999 wieder in die Diözese Wilmington, Delaware, gefahren, um dort an einer
basisgemeindlich orientierten pastoralen Arbeit mit mexikanischen Migranten
mitzuhelfen. Für diese Zielgruppe hat Antonio ein Buch "Glaube und
Exil" verfasst, eine zweites Buch ist in Arbeit.
Verwendung der Spendengelder
Wir haben 1999 DM 20.000 an CACTUS überwiesen.
Das Geld wurde wie folgt verwendet:
53,4% für die Bezahlung von drei Kindergärtnerinnen
in Ocotlán (Mindestlohn),
20,9% für die ökonomische Unterstützung von Luz Elena
und Antonio (Mindestlohn),
25,7% für den Bau des Kindergartens in Ocotlán
(Kreditrückzahlung)
Zur aktuellen Situation in Mexiko
Wirtschaftlich leidet Mexiko immer noch an dem
dramatischen Einbruch nach der Währungskrise 1994/95, der schlimmsten Wirtschaftskrise
in der mexikanischen Nachkriegsgeschichte, an extrem niedrigen Erdölpreisen
1997/98 und zuletzt an den Folgen der Asienkrise. Allerdings gab es 1999 eine
leichte Erholung. Wahrscheinlich wird entgegen den Erwartungen doch ein
Wachstum von 3% bei einer Inflation von 13% erreicht. Der Hauptgrund dafür ist
neben den wieder gestiegenen Rohölpreisen die hohe Nachfrage aus den USA, von
der Mexiko dank NAFTA profitieren kann. Gleichzeitig stellt die hohe
Abhängigkeit von den USA einen hohen Unsicherheitsfaktor dar. Ein großes
Problem ist die anhaltende Krise des Bankensystems. Seit vier Jahren ist die
Kreditvergabe an die Wirtschaft praktisch eingestellt. Dringend müssten die
Gesetze zur Regulierung des Bankensystems reformiert werden, aber die diesbezügliche
Reformpolitik ist auf halbem Weg stecken geblieben. Wegen der Notwendigkeit,
die Banken mit öffentlichen Geldern zu stützen, ist die interne und externe
Verschuldung Mexikos seit 1994 um gut 60% gestiegen und hat eine bislang nicht
gekannte Größenordnung erreicht.
Die Armut hat weiter zugenommen. Nach Daten, die in
Proceso (29.08.99) veröffentlicht wurden, verfügen 33,52% der Beschäftigten
über weniger als den gesetzlichen Mindestlohn, 30,82% zwischen einem und zwei,
13,05% zwischen zwei und drei Mindestlöhne. 9,28% haben mehr als drei, 9,5%
mehr als fünf Mindestlöhne zur Verfügung. Auch Menschen aus dem Mittelstand und
ihre Unternehmen sind wegen der wirtschaftlichen Krisen oft hoch verschuldet
und von sozialem Abstieg bedroht. Viele von ihnen haben sich zu einer
inzwischen stark angewachsenen Schuldnerbewegung "El Barzón"
zusammengeschlossen.
Die nicht gerade für übermäßige Sozialkritik
bekannte "Bundesstelle für Außenhandelsinformation" (BfAI) schreibt in einem Bericht vom
15.10.1999 (Potthast): "Die zunehmende Verarmung immer größerer Teile der
Bevölkerung birgt sozialen Sprengstoff, ein seit Monaten anhaltender Streik der
Studenten der wichtigsten Universität des Landes (UNAM) kann als Indiz für die
Fragilität des sozialen Friedens gewertet werden. Kriminalität und die
Korruption im Rechtssystem werden nicht eingedämmt, sie stellen inzwischen eine
sehr konkrete Bedrohung der Bevölkerung und darüber hinaus ein Hemmnis für
Investoren aus dem Ausland dar."
Auch das Problem Chiapas ist weiterhin ungelöst. Es
gibt keine Einigung mit den Zapatisten und keine substantielle Verbesserung der
Lebenssituation der indigenen Völker im
südlichsten Bundesstaat von Mexiko.
In seinem fünften Bericht "zur Lage der
Nation" ("Quinto Informe") hat sich der mexikanische Präsident
Ernesto Zedillo offenbar in einer Weise an den Problemen vorbeigelogen, dass
die öffentliche Empörung groß war.
Die drei Hauptprobleme des Landes, die Bankenkrise, Chiapas
und der UNAM-Streik wurden von ihm mit keinem Wort erwähnt. Darauf spielt auch
die obige Karikatur an.
Mexiko schreitet weiter auf dem
Demokratisierungsprozess voran. Schon in 49% der Gemeinden und in 7
Bundesstaaten regiert die Opposition. Die Wahlen werden viel stärker kontrolliert
und verlaufen weitgehend sauber. Freilich verfügt die Regierung immer noch über
große Vorteile, weil sie einen besseren Zugriff auf die Medien hat und den
Regierungsapparat mit benutzen kann. Innerhalb der PRI gab es "Vorwahlen"
nach amerikanischem Vorbild, um
den neuen Präsidentschaftskandidaten zu
küren.
Die Hoffnungen auf eine Ablösung der PRI bei den
Präsidentschaftswahlen 2000 haben jedoch einen Schlag erlitten, weil die beiden
großen Oppositionsparteien PAN (rechts von der PRI) und PRD (links von der PRI)
es nicht geschafft haben, sich auf eine Oppositionsallianz und einen
gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu einigen. Ein entsprechender Vorschlag
einer 14-köpfigen Gruppe bekannter mexikanischer Persönlichkeiten ist im
September von der PAN zurückgewiesen worden. Weder Vicente Fox (PAN) noch
Cuauhtémoc Cárdenas (PRD), der übrigens das Bürgermeisteramt in Mexiko-Stadt
für Rosario Robles freimachte, war bereit, zugunsten des anderen oder eines
dritten auf eine Kandidatur zu verzichten. Luz Elena und Antonio sprechen in
ihrem Bericht in diesem Zusammenhang von einer "großen politischen Unreife
und einem blinden Caudillismus, der den demokratischen Übergang um weitere
sechs Jahre hinausschieben wird".
Don Samuel geht
in Ruhestand
In Anwesenheit zahlreicher Persönlichkeiten aus dem
In- und Ausland unterschrieb der als "Tatic" (Vater) der Indios
verehrte Bischof von San Cristóbal de Las Casas, Don Samuel Ruiz, an seinem 75.
Geburtstag sein Rücktrittsgesuch als Bischof. Es gibt kaum Zweifel daran, dass
Papst Johannes Paul II. das Rücktrittsgesuch des unbequemen Verteidigers der
Menschenrechte und Kritikers der Verhältnisse in Chiapas und der Politik der
mexikanischen Regierung annehmen wird. Es gab angesichts der großen Einigkeit
zwischen Don Samuel und seinem Koadjutor, Raúl Vera López, sogar Spekulationen,
ob dieser vom Vatikan weiterhin als Nachfolger gewünscht wird. Die offizielle Abschiedszeremonie für Don
Samuel ist für den 25. Januar 2000 vorgesehen.
Die mexikanische Zeitschrift Proceso brachte Ende
Oktober aus Anlass des Rücktritts von Don Samuel eine Sondernummer heraus - mit
einem Bild des Bischofs und seiner von Indiofrauen bestickten Mitra - von
hinten.
Wir wünschen Bischof Samuel Ruiz für seinen neuen
Lebensabschnitt alles Gute. Er wird sicherlich weiterhin in der mexikanischen
politischen Öffentlichkeit als kritische Instanz eine große Rolle spielen.