Mexiko-Projekt CACTUS

Rundbrief

Weihnachten 2002

 

 

 

(Diese elektronische Fassung des Rundbriefs enthält nicht die in der Broschüre abgedruckten Fotos. Wer die Broschüre auf dem Postweg zugesandt bekommen möchte, möge sich bitte bei mir melden: Gerhard.Kruip@t-online.de. Danke!)

 

Spendenkonto: Nr. 0100 466 181, Sparda-Bank Köln, BLZ 370 605 90

 

 

Weihnachten 2002

 

Liebe Unterstützer/innen unseres Mexiko-Projektes, liebe Freunde/innen, Bekannte und Verwandte!

 

Schon wieder ist ein Jahr vergangen und Weihnachten steht vor der Tür. Obwohl sich die Arbeit vor diesem Fest und dem Jahreswechsel wie üblich staut, versuchen wir, wenn auch in der letzten Minute, mit diesem Rundbrief noch über die Arbeit von CACTUS zu informieren.

 

Doch an erster Stelle bedanken wir uns auch im Namen unserer Freunde Luz Elena Moctezuma und Antonio González sehr herzlich bei Euch/Ihnen für die Spenden, die wir im Jahr 2002 erhalten haben, darunter auch einen großzügigen Zuschuss des Dritte-Welt-Ladens in Barsinghausen, in dem Rosemarie ehrenamtlich mitarbeitet. Bislang sind 7.500 € zusammengekommen, also etwas weniger als die Jahre zuvor. Allerdings sind die Spenden, die zu Weihnachten oder kurz danach bei uns eintreffen, noch nicht mitgerechnet.

 

Unser Bericht wird ergänzt von Eindrücken, die zwei Mitglieder unseres Unterstützer-Kreises (sie waren fast von Anfang an dabei) aus ihren Besuchen in Oaxaca und Barrio Norte (Mexiko-Stadt) mitgebracht und uns für diesen Rundbrief dankenswerterweise zur Verfügung gestellt haben.

 

Schon im letzten Rundbrief hatten wir geschrieben, dass viele Mexikaner von der Regierung Fox enttäuscht sind. Ein solcher Transformationsprozess vom autoritären PRI-Regime zu einem demokratischeren und sozialeren Mexiko braucht eben doch viel Zeit. Trotz mancher Kritik haben Luz Elena und Antonio aber die Wahl von Fox nicht bereut. Immerhin sei es zu einem Ende der PRI-Herrschaft gekommen. Und ökonomisch steht Mexiko im Vergleich zu vielen anderen lateinamerikanischen Staaten auch nicht so schlecht da. Wir haben in unserer Broschüre die Plus- und Minuspunkte der Regierung Fox entsprechend der Einschätzung unserer Freunde aufgelistet.

 

Das Projekt CACTUS macht gute Fortschritte, von denen wir in dieser Broschüre berichten. Besonders bemerkenswert ist aber, dass das Projekt bei einem nationalen Wettbewerb „Erfahrungen der Bürgerbeteiligung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme auf staatlicher oder kommunaler Ebene“ einen Preis gewonnen hat (6 Preisträger bei 91 Einsendungen), was CACTUS erhebliche öffentliche Anerkennung einbrachte. Über den von CACTUS organisierten „Ökologie-Gipfel“ in Ocotlán hatten wir im letzten Jahr bereits berichtet. Herzlichen Glück­wunsch, Luz Elena und Antonio!

 

Wie es uns sonst so geht? Das lässt sich nicht so leicht in wenigen Worten sagen. Rosemarie übersetzt weiterhin Kinder- und Ju­gend­bücher. Gerhard hat im Forschungsinstitut ein sehr arbeitsreiches Jahr hinter sich, in dem zum ersten Mal alle Elemente des Programms vertreten waren, die künftig jedes Jahr vorkommen sollen. Wer sich näher dafür interessiert, möge bitte auf die Internet-Seiten des Instituts schauen: www.fiph.de oder sich melden, um regelmäßig Informationen zugesandt zu bekommen. Und die Kinder, die werden langsam flügge und erzählen Ihnen/Euch am besten selbst, wie es ihnen geht.

 

Wir wünschen Euch/Ihnen Frohe Weih­nachten und ein Gutes Neues Jahr 2003. Uns wünschen wir, möglichst viele von Euch/Ihnen bald einmal wieder zu sehen, auch wenn Sie /Ihr etwas weiter weg wohnen/t.

 

Mit herzlichem Gruß!

 

Rosemarie Griebel-Kruip,

Gerhard Kruip mit Lukas und Anna

 

P.S. Wie in jedem Jahr, werden wir die Spendenquittungen für alle Spenden des Jahres 2002 im Januar oder Februar 2003 versenden und bitten deshalb noch um etwas Geduld.

 

 

Die Arbeit von CACTUS 2002

 

Schon 12 Jahre arbeitet CACTUS nun in Ocotlán. In der Sprache der Sozialarbeit ausgedrückt, würde man hier sagen: CACTUS macht dort Gemeinwesenarbeit. Dabei geht es um eine ganzheitliche Entwicklung der Gemeinde von der Wirtschaft über die politische Organisation, die Linderung sozialer Not, die Unterstützung von Bildungsprozessen bis hin zu mehr ökologischem Bewusstsein.

 

Einige Schwerpunkte der Arbeit seien besonders herausgestrichen:

 

Gemeinde Ocotlán

Der letzte, von CACTUS unterstützte Bürgermeister von Ocotlán, Alberto Aguilar, konnte mehrere Investitionen in die Infrastruktur tätigen, die der Bevölkerung zugute kommen. Unter anderem wurde eine neue Markthalle gebaut. Außerdem gelang es - für Mexiko eine Seltenheit - eine Kläranlage zu errichten, die immer noch gut funktioniert (!). Insgesamt flossen 20 Millionen Pesos (ca. 2 Millionen Euros) in solche Infrastruktur-Investitionen.

 

Preis

Dabei spielte ein hohes Maß an Bürgerbeteiligung eine Rolle, wofür CACTUS und dem Ort Ocotlán bei einem nationalen Wettbewerb „Erfahrungen der Bürgerbeteiligung zur Lösung gesellschaftlicher Probleme auf staatlicher oder kommunaler Ebene“ ein Preis verliehen worden ist. Antonio schrieb dazu in wörtlicher Übersetzung: „Dieser Triumph und diese Anerkennung ist für uns eine große Freude, die wir mit unseren großzügigen Freunden in Deutschland teilen wollen. Denn dank Eurer unkomplizierten finanziellen Unterstützung konnten wir uns methodisch und professionell unserer Arbeit widmen. Schon 19 Jahre bekommen wir diese Unterstützung (7 Jahre lang in Mexiko-Stadt, 12 Jahre in Oaxaca). Gott sei Dank hat diese Hilfe Wirkungen gezeitigt, die, das sagen wir ganz ehrlich, über das hinausgehen, was wir ursprünglich zu hoffen gewagt hatten. Heute belegt dieser Preis als Anerkennung von außen unsere eigene positive Einschätzung. Und wir wären glücklich, wenn Ihr Euch darüber genauso freuen würdet wie wir!“

 

Bürgermeisteramt in Ocotlán

Auch der neue Bürgermeister, Antonio Sánchez, ist eine sehr zuverlässige und vertrauenswürdige Person, der die Politik seines Vorgängers unterstützen wird.

Derzeit hilft CACTUS ihm bei den Planungen für Grünanlagen und Aufforstungsprojekte, die von den gereinigten Abwässern der Kläranlage bewässert werden sollen. Verzögerungen hat es gegeben wegen der Schwierigkeiten der Verhandlungen mit Nachbargemeinden, die am Projekt beteiligt werden sollen.

 

Bildung

Das am besten funktionierende Projekt von CACTUS ist weiterhin der Kindergarten von Ocotlán, der jetzt von 74 Kindern besucht wird. Die drei Gruppen werden von drei Erzieherinnen entsprechend dem Konzept der Montessori-Pädagogik betreut (siehe auch Bericht von Gisela und Carlos Ossorio). Wegen der hohen Zahl von Kindern war es möglich, mit den von den Eltern aufgebrachten Gebühren (monatlich je 25 Pesos) eine vierte Kraft einzustellen, die die Arbeit in der größten der drei Gruppen unterstützt. Die Eltern nehmen vierzehntägig an Elternabenden teil, um über Fragen der Erziehung, der Gesundheitsvorsorge usw. zu sprechen.

 

Katechese

Seit diesem Jahr arbeitet eine weitere Person bei CACTUS mit, Ignacio Franco, genannt „Nacho“, ein ehemaliger Schüler von Antonio und ehemaliger Bruder des Maristenordens. Er hatte zwei Jahre mit „Chicanos“ in Delaware gearbeitet (Antonio und Luz Elena haben ihn dort zwei Sommer lang unterstützt). Jetzt ist er nach Mexiko zurückgekommen, lebt in Ocotlán und gibt katechetische Kurse, sowohl in Ocotlán wie in zwei nahegelegenen indianischen Dörfern, Santiago und Asunción, wo jeweils etwa 250 Personen an den Kursen teilnehmen. Der Prozess, den CACTUS in Ocotlán angestoßen hatte, hatte ebenfalls einmal mit Bibelabenden begonnen.

 

Verwendung der Spendengelder

 

Wir haben 2002 bisher etwa 7.500 € an Spendengeldern bekommen und nach Mexiko überwiesen.

 

Benötigt werden mindestens:

7800 €, um drei Kindergärtnerinnen mo­natlich ein Gehalt von 200 € und ein entsprechendes „Weihnachtsgeld“ zu bezahlen*,

2600 € für die ökonomische Unter­stützung von Luz Elena und Antonio (zusammen monatlich 200 € mit „Weihnachtsgeld“)

Das bedeutet insgesamt 10.400 €. Wir hoffen also noch auf Spenden!

 

* Auf meine Anregung hin wurden die Gehälter den üblichen Gehältern an staatlichen Kindergärten angeglichen. Ein € entspricht etwa 10 mexikanischen Pesos.

 

 

 

Zu Besuch in Oaxaca und Ocotlán

 

Ein Bericht von Gisela Hänel-Ossorio und Carlos Ossorio

 

Seit unserem letzten Besuch in Oaxaca vor 8 Jahren hat sich viel verändert. Der Kindergarten in Ocotlán/Oaxaca, der damals noch ein Zukunftsprojekt war, ist nicht nur nach den Entwürfen von Luz Elenas Bruder in Adobe gebaut und sehr schön gelungen, sondern vor allem ist es ein Vergnügen, den 70 Kindern und den Erzieherinnen sowie Luz Elena zuzusehen, wie liebevoll sie miteinander umgehen. Im Kindergarten gibt es drei Altersgruppen für die 3, 4 und 5 jährigen. Die Erzieherinnen kommen aus Ocotlán und haben eine Ausbildung in der Montessori-Pädagogik, was aber in Mexiko – durchaus zu Recht - weicher definiert wird als in Deutschland. Auch wenn die Standards vielleicht verschieden sind, glaube ich, dass sich die mexikanischen Erzieherinnen nicht zu verstecken brauchen. Und Luz Elena mit ihrem Wissen und ihrem Charme scheint eine sehr gute Wegbegleiterin zu sein.

Luz Elena zeigte uns am 9. Oktober auch die Caja popular in Ocotlán, eine von ihr und Antonio mitgegründete Bank auf Genossenschaftsbasis, die Leuten Kredite gibt, denen "normale" Banken keinen Pfennig geben würden. Diese Caja Popular ist etwas ganz und gar erstaunliches, denn sie ist sehr erfolgreich und trägt sich selbst. Sie vergibt Kleinkredite auf der Basis eines Bürgen und bis zur doppelten Höhe der eigenen Einlage. Manche Einlagen sind minimal. Was man von ähnlichen Projekten mit Armen in anderen Ländern weiß, funktioniert auch hier, weil die Kredite zurückgezahlt werden und die Socios („Genossen“) ihre kleinen Ersparnisse der Bank anvertrauen, auch wenn sie dafür nur 1 bis 2 % Zinsen bekommen. In der Regel laufen die Kredite höchstens ein Jahr; 4 Jahre sind die Höchstdauer. Diese Kredite sind wichtig für kleine Händler und Kunsthandwerker in der Gegend von Ocotlán, weil sie in der Regel 2 – 3 Monate brauchen, bis sie ihre Artikel verkauft haben. In der Bank arbeiten heute 5 Personen, vier davon ständig und 1 Studentin vorübergehend. Die Bank wird von einer Frau geleitet (4 der 5 Beschäftigten sind Frauen), was ja in Deutschland wie in Mexiko für eine Bank die absolute Ausnahme ist. Die Bank hat sich mit anderen zusammengeschlossen, so dass sie auch abgesichert ist. Wie groß der Erfolg dieser Bank ist, sieht man daran, dass sie vor 10 Jahren 20 Socios hatte und heute 2000. Vielleicht könnte in einer weiteren Expansion im bisherigen Tempo ein Problem entstehen, wenn die Bank so groß würde, dass der persönliche Zusammenhalt der Socios verloren ginge. Das scheint im Augenblick aber nicht der Fall zu sein. Denn zu den monatlichen Versammlungen der Socios, auf denen alle wichtigen Entscheidungen gemeinsam beraten werden, kommen regelmäßig 50 bis 80 Personen, was unseres Erachtens eine Beteiligung ist, die sich sehen lassen kann.
Wir fuhren mit Luz Elena auch zu einer Basisgemeinde in Asunción, "am Ende der Welt" in der Nähe von Ocotlán, die von einem ehemaligen Maristen und Freund der beiden betreut wird. Obwohl gerade ein furchtbarer Regenguss niederging, waren ca. 100 bis 200 Menschen gekommen, die meisten von ihnen Zapoteken, die zum Teil einen langen Fußweg aus den umliegenden Dörfern hinter sich hatten, viele von ihnen ohne Schuhe. Die Besucher waren meist Frauen, alte Männer und Kinder. Viele Männer im erwerbsfähigen Alter sind als Wanderarbeiter in den USA. Fast jeder zweite hob den Arm auf der Frage, wer einen Verwandten in den USA hat. Der Gottesdienst hat uns sehr beeindruckt nach Inhalt und Form. Man kann nur hoffen, dass sich der Lebensstandard dieser Menschen irgendwann verbessert, aber viel Anlass zu dieser Hoffnung kann man eigentlich nicht haben.

Am 17. Oktober haben wir in Mexiko-Stadt den Kindergarten in Barrio Norte, "Trino de Ave", besucht. Es war ein sehr befriedigendes Wiedersehen mit längst Vertrautem (wir haben den Kindergarten ja seit seinen Anfängen über all die Jahre wachsen sehen und konnten auch einiges darüber hier bei uns veröffentlichen). Er ist nicht nur wesentlich erweitert worden um ein zusätzliches Stockwerk, sondern er ist zudem bunter geworden durch Wandgemälde im Hof, auch gibt es heute vier Altersgruppen für 2, 3, 4 und 5 Jährige und die Kinder sind genauso ungezwungen fröhlich wie in Ocotlán. Im Unterschied zu Ocotlán sind die Gruppen hier mit 24 Kindern kleiner, was mir, ohne Expertin zu sein, sinnvoller scheint. Wie in Ocotlán gibt es regelmäßige Treffen der Erzieherinnen mit den Eltern. Eine Veränderung gegenüber früher ist, dass jede Mithilfe der Mütter im Kindergarten heute mit Geld bezahlt wird und dass der kleine Laden, der ja schon früher verschiedene Probleme hatte, geschlossen wurde, zum einen, weil es heutzutage in Barrio Norte verschiedene Einkaufsläden gibt, mit denen er nicht konkurrieren konnte, aber auch, weil es schwierig war, noch jemand zu finden, der den Laden betreut. Heute ist der alte Geschäftsraum an einen Schneider vermietet, der dort seine Werkstatt hat. Ein kleiner Raum wurde als Büro abgetrennt, in dem Teresa (die ja von Anfang an dabei ist) die Verwaltungsarbeiten des Kindergartens erledigt. Die Einnahmen aus der Vermietung sind so hoch, dass davon die laufenden Kosten des Kindergartens für Strom und Wasser bezahlt werden können. Trotz aller sichtbaren Erfolge ist Trino des Ave aber weiterhin auf Spenden angewiesen, wobei man im Einwerben von Spendengeldern durchaus rührig ist: Brot für die Welt und Gelder aus Holland haben viel geholfen, aber Hilfe ist weiterhin notwendig. Unklar ist uns, aus welchen Gründe Trino de Ave nicht an den kostenlosen städtischen Lebensmittellieferungen an gemeinnützige Kindergärten teilnehmen kann. Eine Teilnahme wäre, ganz naiv betrachtet, sicherlich wünschenswert, denn Barrio Norte hat zwar heute befestigte Straßen, ist mit regelmäßig verkehrenden Kleinbussen erreichbar, es gibt ein paar schmächtige Bäume an der Hauptstraße und die meisten Häuser sind aus Stein, aber Barrio Norte ist weiterhin ein Armenviertel. In den Kindergarten kommen zunehmend Kinder aus einem benachbarten Armenquartier, das sehr viel schlechter ist als Barrio Norte. Zum Schluss noch eine sehr erfreuliche Nachricht, die unseres Erachtens zeigt, wie gut die Kindergartenarbeit ist. Teresa erzählte uns, dass anfangs die staatliche Schule die Arbeit in Trino des Ave eher mißtrauisch beäugte, und dass sie daraufhin Lehrer jener Schule in den Kindergarten eingeladen und ihnen alles gezeigt haben, woraufhin sich das Verhältnis zu der staatlichen Schule völlig geändert habe und dass heute "ihre" Kinder die Klassenbesten sind. Nur die Noten in Disziplin, was in mexikanischen Schulen eine große Rolle spielt, seien ganz schlecht. Deswegen üben die 5 Jährigen jetzt manchmal das Ruhigsitzen auf Schulbänken. Wir durften sie bei einer dieser "Schulstunden" besuchen. Wenn die Kinder bei dieser "Schulstunde", in der sie uns "interviewt" haben, soviel Spaß hatten wie wir, dann mache ich mir keine Sorgen, dass diese Kinder nun in Vorbereitung auf die staatliche Schule zu arg gedrillt werden.

 

Zur Situation Mexikos

Nach 70 Jahren PRI-Herrschaft war nicht zu erwarten, dass eine neue Regierung in kurzer Zeit alle Probleme des Landes lösen würde. Trotzdem ist die Enttäuschung in Mexiko über die Regierung Fox groß, wobei die Situation neben Fehlern der Regierung auch durch den weltweiten Konjunktureinbruch gekennzeichnet ist. Mexiko konnte sich im Verhältnis zu anderen lateinamerikanischen Staaten noch relativ gut halten. Die Inflation ist relativ niedrig (5%), der Wechselkurs stabil, das Wachstum hat gegenüber 2001 wieder etwas angezogen (liegt jetzt mit 1,7% gleich auf mit dem Bevölkerungswachstum) und das Haushaltsdefizit Mexikos ist mit 0,7% des BIP niedriger als in Deutschland. Für 2003 gibt es gute Aussichten für ein Wachstum in Höhe von etwa 3%.

 

Antonio und Luz Elena, haben als wichtigste Erfolge aufgezählt: einen friedlichen Übergang von einem autoritären zu einem demokratischen Regime, einen Präsidentenwechsel ohne die vorher regelmäßig vorkommenden ökonomischen Krisen, eine gute makroökonomische Politik mit der Kontrolle von Inflation und Auslandsverschuldung. Innerhalb von dreieinhalb Jahren sanken die Auslandsschulden von 166,4 auf 140,8 Milliarden US-Dollar. Offenbar wird auch die Korruption effektiver bekämpft als früher. Das Abgeordnetenhaus hat mehr Macht, so dass eine echte demokratische Kontrolle der Regierung stattfinden kann. Bei Wahlen auf bundesstaatlicher und kommunaler Ebene werden demokratische Verfahren eingehalten. Fox unterstützt im Rahmen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten neue Sozialprogramme, die von Rogelio Gómez Hermosillo koordiniert werden, der aus der Bewegung der Basisgemeinden hervorgegangen ist (siehe Karikatur: nur ein sehr geringer Teil des Haushalts wird jedoch für Sozialprogramme verwendet).

 

Vieles, was Fox möchte, kann er jedoch nicht durchsetzen. Seine Partei, die PAN, verfügt nicht über die Mehrheit und es gibt oft eine harte, destruktive Opposition der beiden Oppositionsparteien PRI und PRD. So erklären sich auch die wichtigsten negativen Seiten der bisherigen Regierungspolitik: das Scheitern eines Gesetzes zum Schutz der kulturellen Autonomie der Indígenas (siehe dazu am Ende der Broschüre das Dokument der bischöflichen Kommissionen für Sozialpastoral und für Indígena-Pastoral), das Scheitern der dringend notwendigen Steuerreform (das Steueraufkommen ist bislang sehr niedrig, die Belastung der Bürger/innen ungerecht verteilt). Vielen erscheint die Politik von Fox als sprunghaft und konzeptlos, Sozialwissenschaftler und Ökonomen beklagen sich über die mangelnde Kompetenz der Regierung. Als Zeichen der Hoffnung werten Luz Elena und Antonio die Politik des Bürgermeisters von Mexiko-Stadt, Manuel A. López Obrador, der vermutlich der nächste Präsidentschaftskandidat der PRD sein wird.

 

 

Heiligsprechung von Juan Diego

 

Während seines fünften Mexiko-Besuchs hat Johannes Paul II. am 31. Juli 2002 den Indio-Jungen Juan Diego heilig gesprochen, dem der Legende nach mehr­fach die „Jung­frau von Guadalupe“ erschienen sein soll. Die Indigenas, die sich der katholischen Kirche verbunden fühlen, empfanden dies als eine wichtige Unterstützung ihrer Anliegen. Die Bischöflichen Kommissionen für Sozialpastoral und Indiopastoral veröffentlichten dazu eine Botschaft, aus der ich Auszüge dokumentiere (der Text ist abgedruckt in Weltkirche 7/2002, 185ff, Übersetzung von mir leicht verbessert). Der Text hat vor dem Hintergrund des Konflikts mit der EZLN in Chiapas und des Tauziehens um die Autonomie-Rechte der indigenen Völker eine große Bedeutung. Hier positioniert sich eine Gruppe von Bischöfen klar auf der Seite der Indios.

 

„Es ist eine Freude, die Heilig- und Seligsprechung der Indiobrüder zu feiern, weil wir wissen, dass die Anerkennung ihrer Personen zur Anerkennung der Indios als Völker beiträgt. Die Inkulturation des Evangeliums hebt den Reichtum einer jeden Kultur, eines jeden Volkes hervor, in dem wir deutlich das Handeln des göttlichen Geistes erkennen, der immer und an jedem Ort weht.

 

Als Teil der Kirche wünschen wir uns sehr, dass diese Anerkennung auch dem Prozess gilt, aus dem die Indios als Subjekte ihrer Geschichte hervorgegangen sind. Denn auch wenn die Indiovölker schon lange existieren, so sind sie in ihrem Erscheinungsbild jung. Mit Johannes Paul II. bestätigen wir, dass die Indios mit der Verteidigung ihrer Würde nicht nur ein Recht ausüben, sondern auch die Pflicht erfüllen, ihre Kultur an die kommenden Generationen weiterzugeben. [...]

 

Es ist unmöglich, in einem Mexiko weiter zu leben, das durch Rassismus und Diskriminierung gespalten ist; die Indiovölker verdienen mit Recht eine Anerkennung ihrer Kulturen, ihrer Wesensart und ihrer Autonomie. Der Übergangsprozess, den unser Vaterland erlebt, darf nicht durch einen Mangel an politischer Sensibilität unserer Völksvertreter behindert werden, die [...] gerechte Gesetze entwerfen und über ihre Einhaltung wachen müssen.

 

 

Deshalb richten wir einen Aufruf an die gesamte Gesellschaft, die Anerkennung der Rechte und der Kultur der Indiovölker nicht länger aufzuschieben. Wir müssen unsere Kriterien und Haltungen im Hinblick auf die Indiovölker ändern, [...] um sie als die Personen und Völker anzuerkennen, die heute das fordern, was ihnen mit Recht zusteht: Subjekte des Rechts zu sein. [...]

 

Trotz der ereichten Übereinstimmung zwischen Exekutive und Legislative im Hinblick auf den Reformentwurf in unserer Charta Magna in Bezug auf die Anerkennung der Rechte und der Kultur der Indios sind die Ergebnisse für viele dieser Völker nicht befriedigend. Aus diesem Grund stehen wir im Dialog und in Erwartung der Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs der Nation über die Kontroversen zur Verfassungsreform, wie sie von den Indiovölkern gefordert wird.

 

Um die Wiederherstellung des Friedensprozesses in unserem Land zu garantieren, muss auf die Grundforderungen der Indiovölker eingegangen werden. [...]

 

Schließlich möchten wir daran erinnern, dass die Jungfrau ein Zeichen sandte, damit man ihren Boten, den Indio, daran erkenne und ihm glaube. Heute sind die Rosen, die uns Maria zu pflücken gebietet, die Bemühungen der Völker, sich zu organisieren, um ihr Brot zu erkämpfen, wenn die Sozialprogramme unzureichend sind. Die Rosen, die wir Maria von Guadalupe anbieten, damit sie sie mit liebevollen Händen berühre, sind unsere Brüderlichkeit und unser Kampf gegen die Privilegien einiger weniger, damit wir ein einziges mexikanisches Volk werden, das gleichzeitig die Unterschiede zwischen den Völkern achtet, weil dies unser Reichtum ist: die Vielfalt.“