Mexiko-Projekt CACTUS
Rundbrief
Weihnachten
2003
20 Jahre!
Spendenkonto: Nr. 0100 466 181, Sparda-Bank Köln, BLZ 370 605 90
Rosemarie Griebel-Kruip
Gerhard Kruip
Birkenweg 10
D-30974 Wennigsen
Tel. u. Fax: 05103-7668
Weihnachten 2003
Liebe Unterstützer/innen unseres
Mexiko-Projektes, liebe Freunde/innen, Bekannte und Verwandte!
Dieses Jahr haben wir
den Eindruck, dass Weihnachten viel früher kommt als in den Jahren zuvor.
Wahrscheinlich liegt es daran, dass man die zwei Tage zwischen diesem Wochenende
und dem Heiligen Abend nicht so richtig ernst nimmt und meint, alles noch
vorher schaffen zu müssen. So allmählich lernen wir, dass Vieles gar nicht mehr
unbedingt vor Weihnachten geschafft sein muss. Aber diese Broschüre wollten wir
denn doch noch fertig stellen und hoffen, dass Sie Euch/Sie noch rechtzeitig
vor dem Fest erreicht.
Allen Spenderinnen und
Spendern zunächst ein ganz herzliches Dankeschön für die treue Unterstützung. Wir
sagen dies auch im Namen unserer mexikanischen Freunde von CACTUS, Luz Elena
Moctezuma und Antonio González, die Euch/Sie ebenfalls grüßen!
Einige von Ihnen/Euch
werden sich erinnern: Wir unterstützen das Projekt nun 20 Jahre. Nach einem
längeren Mexiko-Aufenthalt 19982/83 haben wir im September 1983 geheiratet.
Anlässlich der Hochzeit kamen so viele Spenden zusammen, dass ein Grundstück
für ein „Soziales Zentrum“ in Barrio Norte erworben werden konnte, wo dann
unter anderem ein Kindergarten errichtet wurde, der heute noch besteht. Seitdem
haben wir das Projekt, das Ende der 80er Jahre nach Oaxaca umgezogen war, mit
jährlich etwa 10.000 Euro unterstützt. Das 20-jährige Bestehen der
Partnerschaft mit CACTUS ist auch der Anlass, warum wir diese Broschüre mit ein
paar Erinnerungsfotos gespickt haben.
Leider nehmen die
Spendeneingänge in den letzten Jahren etwas ab. Vielleicht aber könnt/en
Sie/Ihr noch in diesem Jahr etwas überweisen. Immerhin wirkt sich der Steuerabzug
einer Spende heuer noch kräftiger aus – und außerdem steht uns ja eine
steuerliche Entlastung bevor, die vielleicht dazu helfen kann, das
Spendenbudget etwas anzuheben. Wir bitten Sie/Euch auch, weitere spendefreudige
Menschen anzusprechen, damit wir in etwa den Stand halten können. Der garantiert
nämlich eine äußerst effektive und kontinuierliche Arbeit in Oaxaca, von der
wir auch in diesem Heft wieder kurz berichten.
Mit herzlichem Gruß und
unseren besten Wünschen für ein Frohes Weihnachtsfest und ein Gutes Neues Jahr!
Rosemarie Griebel-Kruip,
Gerhard Kruip, mit Lukas
und Anna
P.S. Wie in jedem Jahr,
werden wir die Spendenquittungen für alle Spenden des Jahres 2003 im Januar
oder Februar 2004 versenden und bitten deshalb noch um etwas Geduld.
Die Arbeit von CACTUS 2003
Der Provinzial des Maristenordens, dem sich
Antonio immer noch sehr verbunden fühlt, Dr. Salvador Torre López, besuchte in
diesem Jahr im Juni drei Wochen Ocotlán, den Ort, an dem die meisten
Aktivitäten von CACTUS stattfinden. Er war begeistert von der Arbeit. Wir zitieren
einige Passagen aus seinem Brief: „Das war eine der stärksten Erfahrungen von
gelungener Evangelisierung in meinem Leben. Das will etwas heißen, war ich doch
10 Jahre bei den Maristen in Chiapas tätig [die sozial besonders engagiert sind
– G.K.]. Ich wurde Zeugnis einer Lebendigkeit und einer evangelisatorischen
Energie, wie ich sie mir kaum je in einer Pfarrei hätte vorstellen können. Als
Frucht eines breiten Programms kirchlicher Erwachsenenbildung mit mehr als 1000
Personen (die Hälfte indigenen Ursprungs) entspringt dort eine Reihe von
Aktivitäten auf den Gebieten der Erziehung (Kindergarten Niláhui), des
Umweltschutzes (Kläranlage) und der Besserung der wirtschaftlichen Lage
(Genossenschaftsbank).
Vor allem bewundere ich, wie es gelingt, die Botschaft
des Evangeliums in diese kleine Ecke von Oaxaca, in das Dorf Ocotlán zu
vermitteln – oder zu inkulturieren. […] Wer ist eigentlich derjenige, der
evangelisiert? Der, der das Evangelium verkündet, oder der, der es empfängt und
lebt? Zeigt sich nicht hier in Ocotlán wieder einmal, dass es die einfachen
Leute sind, die das Evangelium verstehen?“
Zu den verschiedenen Projektteilen berichten Luz
Elena und Antonio:
Kindergarten
Niláhui
Drei Kindergärtnerinnen aus dem Ort, Lucia, Gloria
und Marina, die von unseren Spendengeldern aus Deutschland bezahlt werden,
kümmern sich in drei Gruppen nach dem Konzept der Montessori-Pädagogik um
insgesamt 72 Kinder. Alle vierzehn Tage findet ein Treffen der Eltern statt, zu
dem durchschnittlich 50 Personen kommen und Themen wie Gesundheitsvorsorge,
häusliche Gewalt, Grenzerfahrungen in der Erziehung und Verbesserung der
Kommunikation mit den Kindern besprechen.
Wöchentlich trifft sich Luz Elena Moctezuma mit
den Kindergärtnerinnen, um die Arbeit zu begleiten, auszuwerten und gemeinsam
die nächsten Schritte zu planen.
Dank dreier zusätzlicher Zuwendungen konnten
drei bauliche Verbesserungen bzw. Reparaturen vorgenommen werden. Die Gemeinde Ocotlán
finanziert mit einem Wert von 25.000 US-Dollar einen Zaun rund um das recht
große Freigelände des Kindergartens. Die Stiftung der mexikanischen Bank
Banamex stellte eine Spende von 5.000 US-Dollar zur Verfügung, die dazu
verwendet wird, vor dem Kindergarten ein Vordach anzubringen, unter dem größere
Versammlungen stattfinden können. Die Gruppe „Friends of Oaxaca“ der Diözese
Willmington/USA, wo Luz Elena und Antonio zwei Sommer lang mitarbeiteten,
spendete 3.000 US-Dollar, die die Kosten für Ausbesserungs- und Verschönerungsarbeiten
am Kindergartenbau abdeckten.
Durch diese Zuwendungen fühlen sich Luz Elena
und Antonio, wie sie uns schrieben, in ihrem Wahlspruch bestärkt: „Das Geld
alleine schafft keine Organisation. Aber wo es eine gute Organisation gibt,
fehlen nie die Ressourcen.“
Genossenschaftsbank
Die Genossenschaftsbank, die mit einer
Anschubfinanzierung von uns aufgebaut worden war, ist inzwischen vollkommen
unabhängig und ökonomisch sehr erfolgreich. Anfang 2003 gab es 2116 Genossen,
am Ende des Jahres sind es 2494 (18%
Steigerung in einem Jahr). Der Nationale Zusammenschluss der
Genossenschaftsbanken umfasst bereits 750.000 Mitglieder. Damit sind die
Genossenschaftsbanken eine wertvolle Hilfe für arme Mexikaner/innen, die sonst
kaum Zugang zu Finanzdienstleistungen hätten.
Sie erlauben ihnen sicheres und effizientes
Sparen und ermöglichen ihnen Kreditaufnahmen zu persönlichen und
unternehmerischen Zwecken.
Bürgermeister
von Ocotlán
Jetzt endet das zweite Jahr der Amtszeit des
Bürgermeisters Antonio Sánchez, dessen Kandidatur von CACTUS unterstützt worden
war. Nach Einschätzung von Luz Elena und Antonio ist er ein ehrlicher und sehr
viel besserer Amtsträger als der Gegenkandidat der PRI es gewesen wäre. Ganz
zufrieden sind sie aber trotzdem nicht, weil viele wichtige Aufgaben zu zögernd
angegangen werden. Auch scheint es Probleme mit seinen Mitarbeitern zu geben.
Die Kläranlage ist seit dem letzten Defekt auch noch nicht wieder repariert
worden. Antonio versucht, den Bürgermeister zu beraten, so gut es geht.
Kirchliche
Erwachsenenbildung
2003 war ein Jahr großer Fortschritte auf diesem
Gebiet. Denn CACTUS hat ein neues Mitglied bekommen, Ignacio Franco, ein
ehemaliger Marist, der zwei Jahre lang bei den Maristen in Chiapas und danach
12 Jahre lang in den USA mit mexikanischen Migranten/innen gearbeitet hat.
Danach entschied er sich, nach Ocotlán zu ziehen und in CACTUS mitzuarbeiten.
Er verfügt über sehr viel erwachsenenpädagogische Erfahrung. Dieses Jahr gibt
er drei Kurse, für 500 Personen in Ocotlán und für je 300 in kleineren Orten
der Umgebung, in Asunción und Santiago. Bereits jetzt sieht man die Ergebnisse:
zwei Vereinigungen von Bürgern/innen sind entstanden, um sich um die Probleme
der Orte zu kümmern und die Lebenssituation zu verbessern. In Ocotlán hält auch
Antonio weiterhin einen theologischen Erwachsenenbildungskurs. Etwa 400
Personen studieren mit ihm das Matthäusevangelium.
Buchpublikationen
Seit Jahren schreibt Antonio auch katechetische
Bücher. „Ich glaube an die Familie“ wird von 60.000 Paaren der Nationalen
Bewegung der Familie benutzt. Und mit „Gott offenbart sich in der Geschichte“
ist der erste Band des offiziellen Mexikanischen Erwachsenenkatechismus
erschienen.
Verwendung der Spendengelder
Bisher haben wir in 2003 erst 7500 Euro überwiesen.
Das sind – dank des starken Euro – ungefähr 90.000 Pesos. Vereinbarungsgemäß
wollen wir für die Finanzierung von drei Kindergärtnerinnen und eine
Unterstützung für Antonio und Luz Elena in Höhe von je 2.000 Pesos monatlich
(das sind 165 Euro) und einem entsprechend hohen Weihnachtsgeld aufkommen.
Dafür bräuchten wir 104.000 Pesos oder
8.600 Euro. Wir hoffen, dass wir den Fehlbetrag in diesem Jahr noch
überweisen können.
Zur
Situation Mexikos
Der 2000 gewählte Präsident Vicente Fox, seit 70
Jahren der erste, der nicht mehr der PRI angehört, hat nun mit drei Jahren die
Hälfte seiner Amtszeit hinter sich. Aber die vielen Hoffnungen, die die
Menschen auf ihn gesetzt hatten, wurden nur teilweise erfüllt.
Nach der Überwindung der Wirtschaftskrise von
1995 konnte sich das Wachstum konsolidieren und erreichte 1998 und 2000 Werte
um die 7%. Danach allerdings gab es in 2001 einen massiven Einbruch mit -0,3%,
von dem sich Mexiko immer noch nicht wieder ganz erholt hat.
Pro Kopf der Bevölkerung
ist das Wachstum auch dieses Jahr wieder negativ. Das liegt natürlich auch an
der Krise der Weltwirtschaft und dem Wachstumseinbruch nach dem 11.9.01 in den
USA, von denen Mexiko ökonomisch stark abhängig ist. Die Schätzungen der CEPAL
liegen mit einem Wachstum von 1,2% für 2003 noch unter den offiziellen
Schätzungen von 1,6%. Eine wichtige Stütze der mexikanischen Wirtschaft sind
die Überweisungen der mexikanischen Migranten in den USA. Sie liegen bei 13,5
Milliarden US-Dollar jährlich.
Die Inflation bleibt mit 3% einigermaßen
kontrolliert, liegt aber immer noch über den angestrebten Werten. Der Peso
bleibt gegenüber dem Dollar recht stabil. Dank der hohen Exporte verfügt Mexiko
über Devisenreserven in Rekordhöhe. Das Defizit des Staatshaushalts ist (für
unsere Verhältnisse) mit unter 1% geradezu paradiesisch. Aber weder die
Armutsprobleme (Armutsrate bei 40%) noch die wachsenden Umweltprobleme hat der
neue Präsident effektiv in den Griff bekommen. Die offene und vor allem die
verdeckte Arbeitslosigkeit (Die „Unterbeschäftigung“ im „informellen Sektor“
wird auf 50% geschätzt.) sind deutlich angestiegen. Nach einem Bericht von
„Social Watch“ sind die Ungleichheiten in der mexikanischen Bevölkerung, die
inzwischen 103 Millionen umfasst, weiter gestiegen.
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der
wirtschaftlichen Entwicklung schlug sich auch in de Parlamentswahlen nieder,
die leider von der PRI gewonnen wurden, die jetzt über eine Mehrheit im
Repräsentantenhaus verfügt. Die Partei von Fox, die konservative PAN, fiel auf
31% der Stimmen zurück. In Mexiko-Stadt entschied der Kandidat der
linksgemäßigten PRD, Manuel López Obrador, die Wahlen für sich und gilt nun als
aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat der Linken für die Wahlen im Jahr 2006.
Große Unzufriedenheit entlud sich auch bei einer
Großdemonstration von 100.000 Menschen am 27.11. auf dem Zócalo, dem Hauptplatz
von Mexiko-Stadt. Sie protestierten gegen die drohende Privatisierung der
Energieerzeugung und der Erdölindustrie, gegen die Einführung einer
Mehrwertsteuer auf Medikamente und Lebensmittel sowie gegen den Abbau der
staatlichen Kulturförderung.
Die Mehrwertsteuer (IVA): „Baut mehr
Weltmarktfabriken, und dann eine neue Runde!“
Wegen dieser Wahlniederlage kann Fox noch weniger
als vorher seine Politik im Parlament durchsetzen. Dies zeigt sich z.B. am
Scheitern einer dringend notwendigen Steuerreform. Diese „Reformblockaden“
verunsichern die Anleger und führen zur Abnahme der ausländischen
Direktinvestitionen.
Nach dem Scheitern der Fiskalreform: Vicente Fox
als Christ: „Und jetzt auf die andere Wange, bitte.“
Trotz dieser negativen Tendenzen gibt es nach
Meinung von Luz Elena und Antonio auch positive Errungenschaften, z.B.
hinsichtlich der Unabhängigkeit der Gerichte, der Abnahme der Korruption und
einer konsequenteren Verfolgung von Straftaten im Zusammenhang mit Wahlbetrug
und Korruption.
Die von „Subcomandante Marcos“ in der
Öffentlichkeit vertretene EZLN („Zapatisten“) macht im zehnten Jahr ihres
Engagements wieder mehr von sich reden, da das neue „Ley Indígena“ von 2001,
das die Rechte der indianischen Gemeinden regelt, nicht so ausgefallen war, wie
sich das die Vertreter der Indígenas wünschten. Als dann der Oberste
Gerichtshof Mexikos die vorgebrachten Einsprüche ablehnte, reagierte die EZLN
mit massiven Protesten und einer Reihe von offenen Briefen. Beobachter werten
dies als eine neue Chance für Verhandlungen, andere sehen die Gefahr einer
erneuten Verhärtung, wenn der mexikanische Staat den Forderungen nicht
nachkommt. Für viele Menschen in Chiapas sind die stark gefallenen Kaffeepreise
ein großes Problem. Dadurch steigt die Migration nach Norden oder in die USA,
die von Schiebern organisiert wird, von denen die Armen noch einmal ausgebeutet
werden. Monatlich verlassen derzeit 500 Kaffeebauern ihre Fincas. Im Sommer
rief die EZLN die Zivilgesellschaft auf, sich gegen den „Neoliberalismus“ zu
verbünden. Offenbar versucht sie, ihre frühere zivilgesellschaftliche Bedeutung
zurück zu gewinnen.